Sylvia Kroupa
INTERVenti (IV): Wann sind Sie nach München gekommen und aus welchem Teil Italiens stammen Sie? Erzählen Sie uns doch kurz Ihre Geschichte.
Elisabetta Cavani (EC): Ich komme aus Bologna und ich bin 1983 nach Deutschland gekommen. Ich hatte Germanistik studiert und bekam vom akademischen Austauschdienst DAAD ein Stipendium, um „Deutsch als Fremdsprache“ weiter zu vertiefen bzw. zu studieren. In Italien gab es damals keinen adäquaten Studiengang. Ich wusste, dass in Heidelberg der Professor Weinrich das „Institut für Deutsch als Fremdsprache“ gegründet hatte. Ich kontaktierte ihn und er teilte mir mit, dass er in Kürze ein weiteres Institut in München eröffnen werde. Auf diesem Wege bin ich dann nach München gekommen. Das Studium war sehr interessant und ich dachte mir: „Jetzt sollteman schauen, ob das, was man lernt, tatsächlich auch in der Praxis funktioniert“. Es wäre aber irgendwie komisch gewesen, wenn ich als Ausländerin in München „Deutsch als Fremdsprache“ unterrichtet hätte; dementsprechend dachte ich: „Ach, jetzt probiere ich es mit Italienisch“, da die Methodik und die Didaktik dieselbe ist und nur die grammatikalischen Erscheinungen anders sind. Und das hat dann auch geklappt und mir viel Spaß gemacht. Und so blieb ich hier.
IV: Sie organisieren regelmäßig Lesungen mit italienischen Autoren. Welche Lesung ist Ihnen bis dato als Highlight
besonders in Erinnerung geblieben und warum?
EC: Es gibt verschiedene Highlights. Ich erinnere mich immer noch zu gerne an die allererste Lesung mit Giuseppe Culicchia, der 1995 in der Seidlvilla stattgefunden hat.Ich fand es sehr aufregend, mich vor der Lesung mit ihm zu unterhalten und ihn somit schon vor der Lesung kennen zu lernen. Das ist im Prinzip auch der Teil von dem Ganzen, der mich am meisten reizt und der mir am besten gefällt, weil man auf diese Weise die Schriftsteller wirklich näher kennenlernt. Das, was ich vor der Lesung erfahre, lasse ich, wenn es geht, in die Lesung selbst einfließen, also beispielsweise einen Aspekt oder einen Witz, den ich im persönlichen Gespräch gehört habe.
Als in unserer Buchhandlung die Lesung mit Lucarelli stattgefunden hat, drängten sich 30 Leute in unsere Räume. Das war eine tolle Atmosphäre. Der Autor befand sich damals noch am Anfang seiner Laufbahn.
Wir haben auch Serien veranstaltet, die sehr gut beim Publikum ankamen, z. B. über Krimis oder über Schriftstellerinnen. Es gibt sehr berühmte Schriftsteller, die wir eingeladen haben, wie z. B. den Camilleri oder den Carofiglio oder eben den Lucarelli. Die Lesung mit Ammaniti fand ich super. Das war so lustig, weil er wirklich ein netter Mensch ist. Das Highlight des letzten Jahres war ganz klar Giordano im Literaturhaus. Der Saal war ausverkauft, es kamen 300 Leute und es war sehr schön zu sehen, dass man mit dem Autor die richtige Wahl getroffen hatte. Es spielt natürlich auch immer eine Rolle, ob ein Autor bereits ins Deutsche übersetzt worden ist. Meiner Ansicht nach ist es unsere Aufgabe, nicht nur die Autoren einzuladen, die bereits ins Deutsche übersetzt wurden, sondern die Trends und interessanten Erscheinungen aufzuspüren und hierher zu bringen, die sich in Italien entwickelt haben. Das führt zwar dazu, dass Autoren kommen, die dem deutschen Publikum vielleicht noch nicht bekannt sind und die Resonanz entsprechend geringer ist, aber das soll uns nicht entmutigen.
IV: Welches ist Ihr Lieblingsautor oder Ihre Lieblingsautorin und speziell welches Buch?
EC: So etwas gibt es nicht. Viele! Das Schöne daran ist, dass man sich nicht auf einen festlegen muss. Das ist wie
mit Freunden, es gibt nicht „den“ besten Freund oder „die“ beste Freundin, sondern viele Freunde.
IV: Welche Art von Büchern wird in Ihrer Buchhandlung am meisten gekauft?
EC: Ich würde sagen, die Belletristik. Es gibt einen harten Kern von deutschen Lesern, der die italienische Literatur
liest, also die Autoren, die in aller Munde sind. Und natürlich werden die Autoren, die auf Deutsch erschienen sind,
vielfach auf Italienisch von den Leuten bestellt, die italienisch lesen können. Dann werden sehr viele Kinderbücher
gekauft, was mich unheimlich freut. Denn es gibt immer mehr gemischte Paare, bei denen die Eltern bzw. insbesondere die Mütter darauf bestehen, dass die Kinder auch auf Italienisch lesen oder dass man ihnen auf Italienisch vorliest. Das hält jedoch meist nur an, bis die Kinder indie Schule kommen. Sobald sie in der Schule sind, tritt natürlich die deutsche Sprache mit ihren Schwierigkeiten in den Vordergrund. Es sind dann mehr die rein italienischen Familien, die Bücher für ihre Kinder im schulpflichtigen Alter suchen.
IV: Nach welchen Kriterien stellen Sie Ihr Sortiment zusammen? Erzählen Sie doch bitte ein wenig von Ihrer Vorgehensweise.
EC: Wir bekommen von den großen Verlagen Vorankündigungen und dann selektieren wir danach, was unsere Kundschaft interessieren könnte. Viele Bücher sind so spezifisch, dass es für uns keinen Sinn macht, sie auf Lager zu haben. Auf speziellen Kundenwunsch können wir natürlich immer alle Titel bestellen. Aber wenn ich ein
Buch nur einmal im Jahr verkaufe, muss ich schon überlegen, ob ich das wirklich auf Lager haben möchte. Höchstens vielleicht aus Prestigegründen, um zu zeigen, dass man gut sortiert ist. Das ist aber nicht die Regel!
Dann muss man sich überlegen, welchen Kunden man bedient. Also wir haben hauptsächlich deutsche Kunden, die an der italienischen Belletristik interessiert sind oder an speziellen Themen wie z. B. Geschichte. Die Italiener lesen hauptsächlich nicht italienische Autoren in Übersetzung, also die bekannten Autoren wie Philip Roth, etc., die auf dem Markt erscheinen. Letztendlich muss man immer abwägen, was und wie viel von welchen Büchern man auf Lager haben will. Ein Besuch der Buchmesse in Frankfurt ist zwar immer interessant, aber nicht alle italienischen Verlage sind dort vertreten, daher ist die Messe für uns nicht Pflicht. Außerdem bekommen wir meistens Vorankündigungen von den deutschen Verlagen, die italienische Neuigkeiten haben. Die „Fiera del Libro per Bambini“ findet in Bologna statt, die „Fiera del Libro“ ist in Turin, allerdings ist es nicht immer einfach das alles zeitlich unter einen Hut zu bringen. Oft hilft auch einfach der Besuch eines Kollegen aus Italien. Man muss auch die Zeitungen und Zeitschriften lesen und verfolgen, was kulturell und gesellschaftlich gerade diskutiert wird. Zum Beispiel kamen 2006 mehrere Bücher von jungen italienischen Autoren heraus, die sich mit dem Thema „befristete Arbeitsverhältnisse“ beschäftigen. Das kam nicht von ungefähr, denn es wurde ein neues Gesetz verabschiedet, welches die flexiblen Arbeitsverhältnisse zulässt. Dementsprechend haben die Autoren das Thema aufgegriffen und darüber berichtet. Auch insofern, finde ich, muss man als italienische Buchhandlung immer aktuell sein.
IV: Sie haben seit vielen Jahren eine Homepage mit Onlineshop. In welchem Verhältnis steht der Online-Verkauf zum klassischen Verkauf im Laden?
(2010-2 pag 24)